Hinsehen. Handeln. Helfen.

Ja, ich habe der kurdischen Frau heute morgen nicht nur den Weg zum Zahnarzt erklärt, sondern sie sogar bis dorthin begleitet! Weil ich mir die Zeit nehmen wollte. Und ich konnte mich sogar daran erinnern, wie anstrengend es ist einen Kinderwagen durch eine Stadt und Treppen hinaufzubewegen. Selbstverständlich habe ich ihr geholfen und ja – das hat mir richtig Freude gemacht! Aber ist das wirklich so selbstverständlich für mich oder habe ich eben doch an manchen Stellen aufgehört hinzusehen?
Es ist nicht lange her, da haben wir unser erstes Haus eröffnet und ihm den Namen Anker gegeben. Die erste Assoziation zu Anker sind Schiffe. Anker, ein „schweres eisernes, an einer Kette oder einem Tau befestigtes, meist zweiarmiges hakenartiges Gerät, das vom Schiff auf den Grund eines Gewässers hinabgelassen wird, wo es sich festhakt und dadurch das Schiff an seinem Platz festhält“ (Duden). Offensichtlich ist ein Anker schweres Gerät! Das braucht es aber doch, auch um manches wirklich festhalten und Hilfe leisten zu können, oder nicht?
Heute ist Internationaler Frauentag. Wahlberechtigung, sexuelle Belästigung auf dem Weg zur Arbeitsstelle und viele Themen mehr sind schon rauf und runter diskutiert und demonstriert worden. Dennoch alle aktuell wie eh und je. Wenn ich einer Frau gegenüber sitze, mit ihr Tee schlürfe oder sie zum Zahnarzt begleite, das macht das Leben doch echt und real. Und wenn mir eine Frau gegenüber sitzt, die existenzielle Schwierigkeiten hat, bedroht ist, um ihr Leben bangt, dann hilft all das Diskutieren und Demonstrieren gar nichts. Dann muss gehandelt werden. Menschlich sein, hinsehen, das fängt im ganz Kleinen an. Wenn ich hinsehen kann, dann kann ich helfen, die Hand reichen und damit sogar etwas bewegen. Das kann zum Anker und damit zu einer echten Chance auf Integration werden.
Anja aus dem Team von Perlenschatz e. V.